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Fachkräftemangel Bäckerhandwerk – Chancen und Perspektiven

Foto: ©Gustavo Fring on Pexels

Fachkräftemangel ist einer der Begriffe, die schnell zur Hand und jedem geläufig sind. Er lässt sich zudem medial vortrefflich und sehr wirkungsvoll einsetzen. Ein wenig überspitzt gesagt, handelt es sich dabei quasi um ein Allround-Argument, hinter dem sich aber eine so umfassende Thematik verbirgt, dass jede Diskussion erst einmal ins Stocken gerät, wird die Trumpfkarte gezogen. Was soll man auch dagegen sagen und wie weit ausholen? Was genau bedeutet der Mangel an Fachkräften? Wer ist eine Fachkraft, wo und wem mangelt es daran? Ein spannendes Thema, bei dem es sich lohnt, tiefer zu blicken und zu hinterfragen, wie es in der Welt der backenden Branche tatsächlich um den Fachkräftemangel steht. Denn laut ifo-Institut kämpft auch das traditionelle Bäckerhandwerk mit einem ausgeprägten Personalmangel aufgrund fehlender Fachkräfte. Die backende Branche besteht jedoch aus sehr viel mehr Mitwirkenden als nur den Bäckern. Schauen wir mal genauer hin.

Worüber sprechen wir? Als Fachkraft im engeren Sinne wird eine Arbeitskraft bezeichnet, die eine gewerbliche, pflegerische, kaufmännische oder technische Berufsausbildung erfolgreich absolviert hat. Spannt man den Begriff noch ein wenig weiter, zählen auch Absolventinnen und Absolventen von anerkannten Weiterbildungsinstituten, Fachhochschulen oder Universitäten dazu. Übertragen auf die Bäckerwelt handelt es dabei also um Personen, die erfolgreich eine Ausbildung zur Bäckerin oder Bäcker, zur Konditorin oder Konditor sowie zur Bäckerei-Fachverkäuferin oder -Fachverkäufer in einem anerkannten Ausbildungsbetrieb absolviert haben und gerne weiter in der Branche arbeiten wollen. Sind sie wirklich so rar in Deutschland, dass die Branche damit ein existenzielles Problem hat?

Der frühe Vogel schlingt die Brezel

Ja und irgendwie auch nicht. Fakt ist, dass die Bäckerbranche seit Jahren um jeden Azubi ringt und mit einem Imageproblem zu kämpfen hat, was den Job in der Praxis anbelangt. Denn wenn andere Jugendliche sich auf den Weg in die Disko machen, die Partys erst so richtig in Schwung kommen, dann muss sich die angehende Bäckerin oder der Bäcker auf den Weg zur Arbeit in die Backstube machen. Das Verkaufspersonal darf sich noch ein wenig im Bett umdrehen, aber auch für sie klingelt der Wecker sehr früh, da vor dem Verkaufen noch einige Arbeiten in den Verkaufsstellen erledigt werden müssen. Das Brot schwingt sich nicht von allein ins Regal und auch die Brezeln wollen im Laden frisch gebacken werden. Allein diese Tatsache führt dazu, dass Jugendliche eine Ausbildung in der Bäckerwelt erst gar nicht in die engere Wahl ziehen. So verkündet diese Branche regelmäßig zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres im September eine hohe Anzahl an noch nicht besetzten Ausbildungsstellen. Man muss nun kein Mathematikgenie sein, um sich auszurechen, dass viele nicht besetzte Lehrstellen zur Folge haben, dass irgendwann tatsächlich weniger Fachkräfte vorhanden sind als es Stellen in Deutschland gibt. Hinzu kommen noch diejenigen, die zwar eine erfolgreiche Ausbildung genossen haben, sich aber, auch vielleicht wegen der Arbeitszeiten, im Verlauf des Berufslebens für einen Branchenwechsel entschieden haben. Es sind also faktisch Fachkräfte vorhanden, aber nicht alle arbeiten in dem gelernten Beruf.

Perspektivenwechsel: Umdenken und neu denken

Kennt man das Problem, ist schon ein entscheidender Meilenstein in einem Umorientierungsprozess gelegt. Und es bewegt sich viel bei den Bäckereien, die sich der Herausforderung aus eigenen Stücken tatkräftig angenommen haben, unterstützt von Geschäftspartnern aus beispielsweise der Backzutatenbranche. In den vergangenen Jahren haben Institutionen und Verbände der Bäckerbranche mit tollen Ideen und aufmerksamkeitsstarken Kampagnen den Stein ins Rollen gebracht, um das Image der Branche nachhaltig zu stärken und den Bäckerberuf insgesamt attraktiver zu machen. Viele Bäckereien haben ihre Hausaufgaben gemacht und bieten attraktive Ausbildungsprogramme, konkrete Karrieremöglichkeiten und flexible Arbeitszeitmodelle an, die so nicht in jeder Branche zu finden sind. Hinzu kommen technologische und technische Fortschritte der Zulieferbetriebe von den Anlagenbauern bis zur Backzutatenbranche, sodass sich die Arbeitszeiten von der Nacht immer weiter in den Tag verschieben, sich also dem anpassen, was wir unter einem normal strukturierten Arbeitstag verstehen. Die Arbeit wird leichter und sie wird immer anspruchsvoller und damit auch attraktiver, da zum Bedienen der Öfen und der anderen Maschinen viel Wissen um IT und Technik gefordert wird.

Hand in Hand in der Backbranche

Neben Bäckereien und Konditoreien sind auch Unternehmen aus der Zulieferindustrie wie Ofenbauer, Hersteller von Knetern und Backzutatenhersteller Teil der Bäckerfamilie. Gerade Letztere, die die Bäckereien unter anderem mit Mehl, Hefe, Sauerteig und verschiedensten Rohstoffen sowie Vormischungen beliefern, unterstützen die produzierenden Handwerksbetriebe tatkräftig. So können sich Bäcker stehts darauf verlassen, dass sie gemeinsam mit ihren Geschäftspartnern Rezepturen entwickeln können, sich an die fachkundigen Anwenderberater wenden können, sollten sie Hilfestellung bei produktionstechnischen Fragen benötigen oder Unterstützung beim Vermarkten von neuen Produkten brauchen. Auch das Trendscouting oder Analysen von neu geerntetem Getreide beziehungsweise dem daraus hergestellten Mehl sind Felder, in denen sich die backende Branche stets auf die Zuarbeit aus der Backzutatenbranche verlassen kann.

Das Fazit der Eingangsfrage lautet damit: Ja, es wäre wünschenswert, wenn sich zukünftig wieder mehr Jugendliche für eine fundierte Ausbildung in der Backbranche entscheiden würden. Und das tun sie sicherlich, da die Bäckereien und Konditoreien wissen, dass sie aktiv werden müssen und es auch schon sind. Aber es gibt immer auch die Möglichkeit für herstellende Betriebe, Fachwissen und Unterstützung von den verlässlichen Geschäftspartnern aus der Zulieferindustrie zu erhalten. Denn alle haben ein gemeinsames Ziel: Jeden Tag Deutschland mit leckeren Broten, Kleingebäck und feinen Backwaren zu versorgen.

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