Backzutaten
Stärke: Die Zutat, die alles zusammenhält

©Karolina Grabowska / Pexels
Über Stärke werden meist nicht viele Worte verloren und das ist schade, denn sie ist in vielen Lebensmitteln und Backwaren unverzichtbar und spielt dort eine tragende Rolle. Ob als Bindemittel, Strukturgeber oder Feuchtigkeitsspeicher: Stärke hält sprichwörtlich alles zusammen. Auch ihr Variantenreichtum ist bemerkenswert. Stärke lässt sich aus einer Vielzahl von Rohstoffen gewinnen – etwa aus Weizen, Mais, Kartoffeln, Reis und sogar aus Bananen – und zu unterschiedlichsten Formen mit ganz speziellen Eigenschaften verarbeiten. Dabei überzeugt sie mit einer breiten Palette an funktionalen Eigenschaften, die gezielt bei den jeweiligen Herstellungsprozessen genutzt werden und bestimmte Merkmale in Lebensmitteln und Backwaren deutlich verbessern können. Nicht zuletzt übernimmt Stärke auch ernährungsphysiologisch eine Schlüsselrolle und liefert wichtige Energie. Ob in der klassischen Bäckerei oder bei innovativen Produktentwicklungen in der Lebensmittelindustrie – ohne Stärke läuft sprichwörtlich nichts.
Stärke ist weit mehr als nur ein Bindemittel – sie leistet bei der Herstellung von Lebensmitteln und beim Backen Erstaunliches. Oft wird sie unterschätzt oder sogar belächelt, etwa wenn beim Hausgebrauch in einem Rezept davon gesprochen wird, dass eine Soße damit angedickt und so sämiger gemacht werden soll. Doch das wird ihrer wahren Leistung nicht gerecht: Stärke ist ein vielseitiger, technologisch maßgeblicher Baustein in der Profi-Backstube, der natürlich aus pflanzlichen Rohstoffen gewonnen wird. In der täglichen Küchenpraxis, genauso wie in der Lebensmittelindustrie, kommen meist Kartoffel- oder Maisstärke zum Einsatz, beim Backen spielen Stärken aus Getreidesorten eine maßgebliche Rolle.
Stärke: Wovon reden wir dabei überhaupt?
Unter dem Begriff Stärke versteckt sich ein komplexes Kohlenhydrat, genauer gesagt handelt es sich dabei um einen Vielfachzucker (im Fachjargon als Polysaccharid bezeichnet), der aus vielen miteinander verbundenen Glukosebausteinen besteht, die in linearen und verzweigten Ketten angeordnet sind. Stärke setzt sich aus zwei Glucanen zusammen: Amylose (lineares Molekül) und Amylopektin (verzweigtes Molekül). Dazu kommen wir aber später noch. Pflanzen speichern überschüssige Energie aus der Photosynthese in Form von Stärke als Reservekohlenhydrat in den verschiedensten Organen. Klassische Quellen für die Gewinnung von Stärke sind Mais, Hirse, Kartoffeln, Weizen, Maniok, Reis und Süßkartoffeln – aber auch Hülsenfrüchte und Gemüse- oder gar Obstsorten wie Bananen enthalten Stärke. Sie ist als Bestandteil vieler Lebensmittel zudem ernährungsphysiologisch eine wichtige Kohlenhydratquelle. Stärke dient als Bindungs- und Dickungsmittel bei der Herstellung von Lebensmitteln wie Puddings, Suppen, Soßen oder Backwaren und sorgt für Stabilität, Cremigkeit und Dichte des Lebensmittels oder der Backware.
Stärke: Gewinnung durch Nassmüllerei
Welche Technologie bei der Gewinnung von Stärke zur Weiterverarbeitung verwendet wird, hängt vom Rohstoff ab. Der erste Schritt ist jedoch bei allen Rohstoffen gleich und nennt sich Nassmüllerei. Das bedeutet, dass das pflanzliche Rohprodukt, also etwa Kartoffeln, Mais oder Weizen, zunächst mechanisch zerkleinert und dabei die Zellen aufgeschlossen werden. Im Anschluss wird die Stärke aus dem aufgebrochenen Zellgewebe mithilfe von Wasser ausgeschwemmt. Je nach Rohstoff ist das Verfahren einfacher oder aufwendiger. Im Fall der Kartoffel beispielsweise, bei der die Stärkekörner frei in den Zellen liegen, ist die Isolierung der Stärke ein relativ einfacher Prozess. Beim Getreide stellt sich die Situation ein wenig komplexer dar, da die Stärke dort in eine Eiweißmatrix eingebunden ist. Im nächsten Schritt, der bei allen Gewinnungsprozessen wieder gleich ist, wird die Stärke aus der gewonnenen Suspension (Stärkemilch) abgeschieden und dann zur weiteren Verarbeitung getrocknet.
Stärke ist nicht gleich Stärke
Nicht jede Stärke ist gleich – es gibt verschiedene Arten, die sich in der prozentualen Zusammensetzung der beiden Bausteine, im Aufbau, Verhalten und Verwendungszweck unterscheiden. Gehen wir aber zunächst noch einen Schritt zurück. Die meisten gebrauchsüblichen Stärken enthalten 20 bis 30 Prozent Amylose, wobei es aber auch Maissorten gibt, aus denen Stärke mit einem Amyloseanteil von 50 bis 80 Prozent gewonnen werden. Der verbliebene Anteil der Stärke, neben Amylose, ist Amylopektin. Um bei den genannten Beispielen zu bleiben, spielt sich der Amylopektinanteil von normalen Stärken in einem Bereich von 70 bis 80 Prozent ab, während er bei Stärke, die aus sogenannten wachsartigen Mais- oder Hirsesorten extrahiert werden, bei nahezu 100 Prozent liegen kann.
Warum ist das wichtig? Beide Stärke-Fraktionen haben unterschiedliche technologische Eigenschaften. Die Anteilsverteilung entscheidet, für welche weitere Verarbeitung die Stärke bei der Herstellung von Lebensmitteln und Backwaren im Großmaßstab genauso wie in der eigenen Küche infrage kommt und dort ihre „Stärke“ ausspielt. Stärken mit einem sehr hohen Anteil an Amylopektin sind ein wertvoller Spezialrohstoff in der Lebensmitteltechnologie und werden als Dickungsmittel, Stabilisator oder Adhäsiv, also als eine Art Klebstoff, eingesetzt. Überwiegt die Amylose in einer Stärke, stechen technologische Eigenschaften wie gutes Gelbindungsvermögen, höhere Verkleisterungstemperatur, geringe Quellfähigkeit sowie Klebrigkeit und stärkere Retrogradation hervor und werden bei der Lebensmittelherstellung gezielt genutzt. Sie sind dann interessant für die Lebensmittel- und Backwarenindustrie, wenn es um Produkte mit gewünschter gummiartiger oder stichfester Konsistenz geht, wie Fruchtspiegel, Desserts, Kuchenfüllungen.
Native oder modifizierte Stärke: Was verbirgt sich wirklich hinter den Begriffen?
Beim Lesen von Lebensmittel-Zutatenlistenfallen oft die Begriffe native oder modifizierte Stärke ins Auge. Modifizierte Stärke klingt kompliziert und höchst technologisch – ist aber oft ganz harmlos. Die Eigenschaften von Stärke können durch verschiedene physikalische oder chemische Modifizierungen für bestimmte Verwendungszwecke optimiert werden. Damit kommen wir zu einer weiteren, wichtigen Klassifizierung von Stärke, die sich auf die Verarbeitungstiefe der Stärke bezieht.
Native Stärke: Dabei handelt es sich um die natürliche, unveränderte Form mit dem vorgegebenen Amylose- und Amylopektinanteil, die eine aus Pflanzen gewonnene Stärke aufweist – beispielsweise Kartoffel-, Mais- oder Weizenstärke. Sie wird in der Regel als Binde- oder Dickungsmittel verwendet, etwa zum Andicken von Soßen, Suppen oder Puddings in der eigenen Küche genauso wie in der Lebensmittelindustrie.
Modifizierte Stärke: Hierbei handelt es sich um eine weiterverarbeite Stärke, die beispielsweise hitzestabiler, kälteresistenter oder quellfähiger ist, wo also in einem zusätzlichen Prozessschritt bestimmte, schon im ursprünglich gewonnenen Produkt vorhandene Eigenschaften, noch einmal verstärkt werden. In der Lebensmittelindustrie sorgt sie z. B. dafür, dass ein Fertiggericht nach dem Aufwärmen immer noch sämig und lecker ist. Eine der modifizierten Stärken, die Quellstärke, wird durch das Erhitzen der Stärkesuspension bei der Stärkegewinnung erreicht. Nach dem Trocknen ist das so gewonnene Produkt in kaltem Wasser löslich und bildet Gele, die unter anderem als Backhilfsmittel zum Einsatz kommen.
Stärke – unsichtbarer Helfer
Beim Backen spielt Stärke eine tragende Rolle – auch wenn sie oft im Hintergrund wirkt.
- Feuchtigkeitsmanagement: Stärke hat aufgrund ihrer natürlichen Netzstruktur die Eigenschaft, Flüssigkeit zu binden und Brot sowie Backwaren Feuchtigkeit zu verschaffen. So wird die Krume samtig und saftig.
- Bindung und Textur: Die Eigenschaft, Flüssigkeit zu binden und ineine cremige Struktur zu verwandeln, führt bei Soßen und Suppen dazu, dass aus einer wässrigen Mischung eine cremige Textur entsteht.
- Krume und Kruste: Beim Erhitzen verkleistert Stärke, das heißt: Sie quillt auf und sorgt für Stabilität in Brot und Backwaren.
Fazit: Stärke – viel mehr als nur Sättigungsbeilage
Stärke begleitet uns durchs Leben – vom morgendlichen Toast bis zum abendlichen Teller Pasta. Sie ist Energielieferant, Verdickungsmittel, Ballaststoffquelle und Backhelfer in einem und wird aus natürlichen, pflanzlichen Rohstoffen gewonnen.
Weitere Blogbeiträge

Ballaststoffe: Von wegen Ballast – guter Stoff für unsere Ernährung
Ballaststoffe – der Name klingt wenig vielversprechend. Schließlich verbindet man „Ballast“ eher mit etwas Überflüssigem. Doch das Gegenteil ist...

Hafer: ein Plus für Gesundheit und Genuss
Lange Zeit ein bescheidenes Getreide im Schatten von Weizen und Mais, ist Hafer aus der modernen Küche inzwischen nicht...

Langzeitführung – mehr Aroma im Brot, mehr Flexibilität im Bäckerhandwerk
Die Langzeitführung ist bei der professionellen Backwarenherstellung ein gängiges Verfahren zur Zubereitung von Teigen und auch so mancher Hobbybäcker...