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Roher Teig – Gefahr für Naschkatzen?

Die Schüssel mit den Teigresten ausschlecken – das machen nicht nur Kinder gern. Dunkel hört man noch irgendwo in sich eine leise Stimme, die warnt, es könnte Bauchschmerzen geben. Aber der Teig ist einfach zu lecker und ungebacken ein besonderer Genuss. Und wie oft hat man schon wirklich Bauchschmerzen davon bekommen? Was ist also dran an der Mahnung, dass man von rohem Teig besser die Finger lassen sollte? Alles nur ein Mythos?

Plätzchen, Waffeln, Kuchen – alles Köstlichkeiten, die nicht nur aus dem Ofen schmecken. Auch Teigreste laden zum Verputzen ein und werden gern vom Löffel oder aus der Schüssel geschleckt oder zwischen den ausgestochenen Plätzchen vom Blech stibitzt. Meist verursacht das keine gesundheitlichen Probleme. Aber Risiken bestehen durchaus.   

EHEC – mögliche Mikroorganismen im Mehl

„Mehle und Teige sind nicht zum Rohverzehr bestimmt und müssen stets gut durcherhitzt werden.“ Kommt Ihnen das bekannt vor? Nein? Dabei steht dieser Satz inzwischen auf fast jeder Mehlpackung. Hintergrund ist, dass eine Verunreinigung mit bestimmten Bakterien, sogenannten STEC bzw. EHEC, nicht vollständig ausgeschlossen werden kann, und diese nur durch Erhitzen zerstört werden. Eigentlich ist ja klar, dass mit Mehl gebacken wird und man es nicht roh isst. Aber beim Löffelabschlecken und Schüsselauskratzen passiert es eben doch. Und seien wir ehrlich – wer tut das nicht?

STEC & EHEC – Was ist das und was macht das?

STEC steht für Shigatoxin-bildende Escherichia coli. Escherichia (E.) coli sind Bakterien, die natürlicherweise im Darm von Tieren und Menschen vorkommen. Doch nicht alle Bakterien, die zu der Gruppe der STEC gehören, sind gesundheitsschädlich. STEC, die beim Menschen zu Erkrankungen führen, werden als enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC) bezeichnet. Krankheitssymptome sind in der Regel Magen-Darm-Beschwerden mit leichtem bis schwerem Durchfall. Bei Erwachsenen ist es möglich, dass eine Infektion symptomlos verläuft. In Einzelfällen kann es aber auch – gerade bei empfindlichen Personengruppen wie kleinen Kindern – zum hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) kommen und in diesem Zuge zu schwerwiegenden Folgen wie akutem Nierenversagen.

Wie kommen EHEC in unser Mehl?

Untersuchungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass STEC und darunter auch die pathogenen EHEC in Mehlen vorkommen können. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) geht davon aus, dass das Vorkommen von STEC in Mehlen zwischen 10 % und 30 % liegt.

Als Hauptgrund dafür wird die Kontamination des Getreidekorns auf dem Feld vermutet, etwa durch die Ausbringung von Gülle und anderen organischen Düngern aus der Tierhaltung oder durch den Kot von Wildtieren wie Rehen. Auch die Bewässerung mit kontaminiertem Oberflächenwasser kann zur Übertragung von STEC auf Getreide führen.

Trotz vielfältiger Reinigungsmaßnahmen des Getreidekorns in den verarbeitenden Mühlen kann es passieren, dass STEC einen Weg in das fertige Mehl finden. Dort können sie längere Zeit überleben, auch wenn sie sich aufgrund der geringen Wasseraktivität im Mehl nicht vermehren. Bei geeigneten Umgebungsbedingungen aber – wie etwa feuchten Teigen und Massen – kann eine Vermehrung wieder stattfinden.

Wie hoch ist die Gefahr wirklich?

Dass mögliche gesundheitliche Folgen durch den Verzehr von rohem Mehl in den letzten Jahren stärker in den Fokus der Behörden geraten sind, liegt an größeren Krankheitsausbrüchen in den USA und Kanada in den 2010-er Jahren, die auf den Verzehr von nicht erhitzten Teigen oder Massen aus Weizenmehl zurückgeführt wurden. Seitdem werden auch im deutschsprachigen Raum STEC in Mehlen genauer unter die Lupe genommen und deren Eintragswege, Stabilität und Inaktivierungsmöglichkeiten erforscht. Dass STEC auch bei uns in Mehlen vorkommen können, konnte zwar gezeigt werden, aber durch rohes Mehl hervorgerufene Krankheitsausbrüche sind in Deutschland bislang nicht bekannt geworden. Auch wenn der ein oder andere gerne mal den Löffel abschleckt, wird der Großteil unserer Mehle immer noch in Form von gebackenen oder gekochten Waren genossen und durch den Erhitzungsvorgang werden diese Keime abgetötet. Bei Brot, Kuchen, Kleingebäck & Co. muss man sich also keine Sorgen machen.

Im Jahr 2011 gab es zwar einen größeren Krankheitsausbruch durch EHEC in Deutschland, dieser wurde aber sehr wahrscheinlich durch den Verzehr von Sprossen aus kontaminierten Bockshornkleesamen ausgelöst.

Was STEC und Mehl angeht besteht allerdings noch großer Forschungsbedarf, sodass eine abschließende gesundheitliche Risikobewertung noch nicht möglich ist, betont das BfR.

Raw Cookie Dough – rohen Teig essen ist Trend

Zurückhaltend ist das BfR auch, was kommerziell vertriebenen rohen Keksteig angeht, da hier noch genauere Informationen nötig seien. Findige Foodies und schließlich auch Lebensmittelhersteller machten aus unserer Liebe für rohen Teig vor einigen Jahren kurzerhand einen Trend und verkauften die ungebackene Masse, wie sie war, zum Direktverzehr. Warum backen, wenn wir den Teig eh lieber roh essen? Bei der professionellen Herstellung von solchem „Cookie Dough“ werden allerdings thermisch behandelte Mehle eingesetzt, um Krankheitserregern vorzubeugen. Es ist davon auszugehen, dass bei dieser Hitzebehandlung pathogene Keime wie EHEC inaktiviert werden. Nach Einschätzung der Hersteller besteht jedenfalls kein Infektionsrisiko für die Konsumenten und es sind auch keine Fälle bekannt.

Tipps zum Umgang mit Mehl

Sich über professionell hergestellte Backwaren mit EHEC zu infizieren ist unwahrscheinlich, die größte Gefahrenquelle lauert in den eigenen vier Wänden. Es gibt jedoch einige Dinge, die man beachten kann, um auch hier das Risiko zu minimieren. Das BfR empfiehlt daher, beim Umgang mit Mehl folgende Punkte zu beachten:

  • Hände vor der Zubereitung von Speisen und nach Kontakt mit Mehl gründlich mit Wasser und Seife waschen und sorgfältig abtrocknen.
  • Kontakt zwischen Mehl und Lebensmitteln zum direkten Verzehr nach Möglichkeit vermeiden, dabei auch verschiedene Bretter, Teller, Schüsseln und Rührgeräte verwenden bzw. nach Kontakt mit Mehl abwaschen.
  • Flächen und Gegenstände nach Kontakt mit Mehl gründlich mit Spülmittel und warmem Wasser reinigen und abtrocknen.
  • Kuchen- und Keksteig nicht ungebacken verzehren.

Eiertanz um rohe Eier

Die meisten süßen Teige enthalten neben Mehl, Zucker und Butter auch Eier. Nascht man am rohen Teig, nascht man folglich rohe Eier. Im Gegensatz zu möglichen Mikroorganismen in Mehl, ist das Risiko, das der Verzehr von rohen Eiern birgt, hinlänglich bekannt und Risikogruppen, wie etwa schwangeren Frauen, wird eindringlich davon abgeraten. Grund dafür ist eine mögliche Kontamination mit Salmonellen, Bakterien, die ebenfalls Durchfall und Erbrechen auslösen können. Dennoch gibt es so manche kulinarische Spezialität, die ohne rohe Eier nicht auskommt, wie etwa klassisches Tiramisu oder eine selbst gemachte Mayonnaise. Hier ist in jedem Fall darauf zu achten, dass die Eier möglichst frisch sind. Und auch dann sollten Risikogruppen sicherheitshalber vom Genuss Abstand nehmen. Das gilt natürlich ebenso für rohen Teig.

No risk, no fun?

Für viele ist das Abschlecken des Schneebesens oder der Finger in der Teigschüssel das Highlight beim Backen. Und es ist mehr als nur lecker, es ist auch eine Kindheitserinnerung, möglicherweise eine soziale Interaktion, eine Liebesbekundung gar, wenn einem feierlich der teigverklebte Löffel überreicht wird. Da hört man natürlich nicht gern, dass man darauf lieber verzichten sollte. Wichtig ist aber, dass die Risiken bekannt sind, damit eine bewusste Entscheidung getroffen werden kann. Das Risiko mag nicht hoch sein, aber es ist da. Und ist es ein bisschen roher Teig wirklich wert, die Gesundheit aufs Spiel zu setzen? Ist der gebackene Kuchen nicht ebenso lecker? Auch den Ofenduft und die Vorfreude auf das fertige Gebäck kann man ausgiebig und gefahrenfrei genießen. Risikogruppen, insbesondere Kinder, sollten von rohem Teig definitiv die Finger lassen. Dafür hebt man sich den Appetit auf und der fertige Kuchen schmeckt gleich doppelt so gut.

Quellen:

Kniel, B., Köhler, P.: EHEC & Co. in Getreide. backwaren aktuell 02/2022, S. 8-11
https://wissensforum-backwaren.de/app/uploads/2022/08/02-2022-backwaren-aktutell_web.pdf

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Escherichia coli in Mehl – Quellen, Risiken und Vorbeugung. Stellungnahme Nr. 004/2020 des BfR vom 20. Januar 2020
https://www.bfr.bund.de/cm/343/escherichia-coli-in-mehl-quellen-risiken-und-vorbeugung.pdf

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