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Die treibenden Kräfte in unseren Backwaren

Foto: ©Pixabay

Dass unsere Backwaren keine schwer verdaulichen Ziegelsteine sind, die sich zum Scheiben einschlagen besser eignen als zum Kauen, haben wir Backtriebmitteln zu verdanken. Nur Backtriebmittel … das klingt schon wieder so unsexy. Leichtigkeitsspender oder Fluffigkeitsverstärker wären vielleicht etwas ansprechender. Jedenfalls darf man sich vom Namen nicht in die Irre führen lassen. Erst Backtriebmittel machen aus Brot, Brötchen, Kuchen und vielem mehr das Gebäck, das wir kennen und lieben – sei es in der eigenen Backstube oder in der Großbäckerei.

Damit aus einem Teig ein genießbares Gebäck wird, muss er gelockert werden. Das kann auf drei Arten passieren: physikalisch, biologisch oder chemisch. Die physikalische Lockerung hat eigentlich immer ihre Finger im Spiel. Sie erfolgt, wenn wir Teige kneten und dabei Luft unterschlagen, und wenn beim Backen Flüssigkeit verdampft. Für die biologische Lockerung sind Hefe und Sauerteig zuständig. Backpulver, Natron, Hirschhornsalz und Pottasche sind die Stars der chemischen Lockerung. Wieder so ein unsexy Begriff für eine an sich geniale Sache. Zeit zur Ehrenrettung zu schreiten!

Da stimmt die Chemie

Alle drei Lockerungsarten funktionieren im Prinzip aus dem gleichen Grund: Chemie. Es entstehen kleine Gasbläschen, die Teige und Massen lockerer machen und das Backvolumen erhöhen. Bei der physikalischen Lockerung ändert Wasser den Aggregatzustand von flüssig zu gasförmig – ein chemischer Vorgang. Bei der biologischen Lockerung verstoffwechselt Hefe Zucker, dabei entstehen Alkohol und Kohlendioxid – ein chemischer Vorgang. Das Gas Kohlendioxid entsteht auch beim Einsatz chemischer Triebmittel – logischerweise auch durch chemische Vorgänge. Backen ohne Chemie funktioniert eben einfach nicht. Leben im Übrigen auch nicht. Sogar Liebe ist Chemie.

Mit Liebe gebacken

Backpulver ist das bekannteste chemische Backtriebmittel, die meisten haben es auch selbst schon einmal verwendet. Dass es funktioniert, hat mit einer Liebesgeschichte zu tun, nämlich zwischen Natron und einem Säureträger wie Weinstein oder Phosphat. Die können kaum die Finger voneinander lassen und reagieren sofort, wenn sie sich sehen. Dabei entsteht das Gas Kohlendioxid. Backpulver macht sich diese Liebe zunutze und bringt die beiden Turteltauben im Tütchen zusammen. Aber natürlich nicht ohne eine Anstandsdame, also ein Trennmittel, meist Stärke. Damit Natron und Säure nicht schon in der Packung übereinander herfallen. Sicherheitshalber werden sie zusätzlich noch mit einer schwer löslichen Schicht überzogen. So kommt es erst unter der Einwirkung von Hitze und Feuchtigkeit zur Vereinigung des Liebespaars. Und zu einer Menge heißer Luft.

Etwas weniger stürmisch geht es zu, wenn nur Natron zum Einsatz kommt, das Pulver kann man nämlich auch solo kaufen. Damit aber zumindest ein bisschen was passiert, braucht es als sauren Ersatz etwas Zitronensaft, Joghurt, Buttermilch oder Ähnliches im Teig. Da so aber nicht ganz so viel Kohlendioxid produziert wird, kommt oft trotzdem noch Backpulver dazu. Das hängt vom gewünschten Ergebnis ab. Für Muffins wird in der Regel beides verwendet, denn für die typische, pilzartige Kuppel des Kleingebäcks braucht es ganz viel Liebe.

Freunde der Horizontalen

Während Backpulver und Natron in ihrer Ekstase Teige in die Höhe treiben, lassen es Hirschhornsalz und Pottasche lieber gemütlich angehen und bevorzugen das Aufgehen in die Breite. Ein gewünschter Effekt bei der Herstellung von allerlei Weihnachtsgebäck. Pottasche heißt eigentlich Kaliumcarbonat und steht auch auf Säuren. Diese findet es zum Beispiel im Lebkuchen im Honig (Ameisensäure). Bei der Reaktion von Kaliumcarbonat mit einer Säure kommt es aber nicht nur zu Bildung von Kohlendioxid, sondern auch von Kaliumsalzen. Diese schwächen die Kleberstruktur des Teiges und sind der Grund dafür, dass er in die Breite wächst statt in die Höhe.

Hirschhornsalz braucht nichts Saures, damit es zu einer treibenden Kraft wird. Hier genügt etwas Hitze, und schon zerfallen die Bestandteile in Kohlendioxid und Ammoniak. Bei kleinerem Gebäck kann sich Letzteres gut verflüchtigen und stört nicht weiter. Hirschhornsalz hat übrigens nichts mit den Geweihen von Hirschen zu tun, die aus Knochen bestehen und nicht aus Horn. Früher hat man das Triebmittel zwar tatsächlich aus Horn, Hufen, Klauen und Lederabfällen verschiedener Tiere gewonnen, aber heute werden nur noch Ammoniumchlorid, Kalziumcarbonat und Holzkohle gemischt – ganz veganerfreundlich.

Der richtige Trieb für das richtige Gebäck

Backtriebmittel machen genießbares Gebäck nicht nur möglich, durch ihre unterschiedlichen Eigenschaften und Wirkungsweisen sorgen sie auch für eine große Vielfalt. Nicht jedes Triebmittel eignet sich für jedes Gebäck. In hohe Kuchen darf auf keinen Fall Hirschhornsalz, da hier das Ammoniak nicht entweichen könnte. Dafür wäre schweres Weihnachtsgebäck mit Natron aufgeschmissen. Einen Mürbeteig würde Backpulver viel zu stark aufgehen lassen, und mit Pottasche wäre ein Muffin ein flacher Klecks. Gott sei Dank gibt es für jedes Gebäck genau den richtigen Fluffigkeitsverstärker.

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