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Health Claims: verlässliche Orientierung oder Marketingstrategie?

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Wer sich beim Kauf von Lebensmitteln und Getränken die Etiketten genauer anschaut, findet auf Verpackungen Aussagen wie „trägt zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels bei“ oder „unterstützt die normale Funktion des Immunsystems“. Diese gesundheitsbezogenen Aussagen, sogenannte Health Claims, sind längst fester Bestandteil der Kommunikation rund um Lebensmittel. Doch was genau steckt dahinter – und können sich Verbraucherinnen und Verbraucher wirklich darauf verlassen?

Seit Juli 2007 gibt es in der Europäischen Union eine umfassende gesetzliche Grundlage, die regelt, welche Gesundheitsversprechen auf Lebensmitteln und Getränken gemacht werden dürfen und welche nicht. Ziel dieser Regelung ist es, die Verbraucherinnen und Verbraucher vor irreführender Werbung zu schützen und gleichzeitig für Transparenz zu sorgen. Denn wer sich bewusst ernährt, möchte auch sicher sein, dass gesundheitsbezogene Aussagen auf Lebensmitteln wissenschaftlich belegt und von einer übergeordneten zentralen Stelle geprüft sind, also nicht nur den Verkaufserfolg beflügeln, sondern einen tatsächlichen gesundheitlichen Nutzen bringen.

Europaweite Harmonisierung zum Verbraucherschutz

Bis vor einigen Jahren regelten die EU-Mitgliedstaaten gesundheits- und nährwertbezogene Werbeaussagen auf Lebensmitteln unterschiedlich. Mit der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben bei Lebensmitteln, der sogenannten Health-Claim-Verordnung, wurde eine einheitliche Rechtsgrundlage geschaffen. Sie trat am 19. Januar 2007 in Kraft und gilt seit dem 1. Juli 2007 unmittelbar in allen Mitgliedstaaten. Die Verordnung leistet seit dem einen wichtigen Beitrag zum Verbraucherschutz, indem sie sicherstellt, dass freiwillige Angaben auf Lebensmitteln in der gesamten EU klar, präzise und nachvollziehbar sind. So sollen Verbraucherinnen und Verbraucher fundierte und sinnvolle Kaufentscheidungen treffen können. Darüber hinaus verfolgt sie das Ziel, fairen Wettbewerb zu sichern sowie Innovationen im Lebensmittelbereich zu fördern und zu schützen.

Es wird dabei zwischen einer tatsächlichen gesundheitsbezogenen Angabe und einer Angabe über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos unterschieden:

  • Eine gesundheitsbezogene Angabe liegt vor, wenn erklärt, angedeutet oder auch nur indirekt vermittelt wird, dass zwischen einem Lebensmittel, einer Lebensmittelkategorie oder einem Bestandteil davon und der Gesundheit ein Zusammenhang besteht.
  • Eine Angabe zur Risikoreduzierung von Krankheiten bezeichnet jede Aussage, die nahelegt, direkt oder indirekt, dass der Verzehr eines Lebensmittels, einer bestimmten Kategorie oder eines Bestandteils das Risiko für die Entstehung einer Krankheit beim Menschen deutlich verringern kann.

Wichtig zu wissen ist, dass laut der Verordnung für gesundheitsbezogene Angaben das sogenannte „Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt“ gilt. Danach sind gesundheitsbezogene Angaben zunächst einmal grundsätzlich verboten, bis auf wissenschaftlicher Basis das Gegenteil erwiesen ist.

Denn bevor ein Health Claim überhaupt auf einem Produkt stehen darf, muss er einen langen und anspruchsvollen Prüfprozess durchlaufen. Unternehmen oder Branchenverbände, die einen bestimmten Inhaltsstoff mit gesundheitlichem Nutzen bewerben möchten, müssen umfangreiche wissenschaftliche Daten vorlegen. Diese werden von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) durch eine Expertengruppe unabhängig geprüft. Nur wenn die Datenlage eindeutig ist und der gesundheitliche Effekt wissenschaftlich belegt wurde, darf die Aussage zugelassen werden. Danach folgt die Freigabe durch die EU-Kommission, die festlegt, unter welchen Bedingungen ein Claim verwendet werden darf.

Aus der Praxis: Beta-Glucane und ihre gesundheitliche Wirkung

Ein anschauliches Beispiel für einen gültigen Health Claim aus dem Bereich der Backzutaten ist Gerste, genauer gesagt die darin enthaltenen Beta-Glucane. Diese löslichen Ballaststoffe können nachweislich dazu beitragen, den Cholesterinspiegel im Blut auf einem normalen Niveau zu halten oder gar zu senken. Dieser Effekt wurde wissenschaftlich bestätigt, weshalb Produkte, die ausreichend Beta-Glucane aus Gerste enthalten, mit der entsprechenden Health-Claim-Aussage gekennzeichnet werden dürfen: „Beta-Glucane aus Gerste tragen zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels im Blut bei.“ Bei der Herstellung von Produkten aus einer speziellen Gestensorte mit einem besonders hohen Anteil an Beta-Glucanen, kann unter Einhaltung der vorgegebenen Werte auch mit dem Health Claim „Beta-Glucan senkt nachweislich den Cholesterinspiegel.“ kommuniziert werden.

Um diese Aussagen gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern tätigen zu dürfen, müssen strenge Vorgaben beachtet werden. In der Kommunikation eines Produkts darf dieser Satz nur verwenden werden, wenn es pro Portion mindestens ein Gramm Beta-Glucane enthält. Zudem muss klar darauf hingewiesen werden, wie viel man täglich davon zu sich nehmen sollte, um den positiven Effekt zu erzielen – in diesem Fall drei Gramm pro Tag. Zusätzlich ist ein Hinweis auf eine grundsätzlich ausgewogene Ernährung sinnvoll und für Verbraucherinnen und Verbraucher ein wichtiger Anhaltspunkt.

Wissenschaftlich basierte Hilfestellung beim Einkauf

Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist die Einführung der Health-Claim-Verordnung ein echter Mehrwert: Sie können sich darauf verlassen, dass hinter einem zugelassenen Health Claim keine leeren Versprechen stehen, sondern überprüfte, wissenschaftlich fundierte Aussagen. Gerade für Menschen, die auf bestimmte Gesundheitsaspekte achten, wie etwa die Herzgesundheit, können solche Aussagen eine hilfreiche Orientierung beim Einkauf und der Zusammenstellung der Ernährung sein.

Gleichzeitig sorgt die Regelung dafür, dass unseriöse Aussagen wie „macht schlank“ oder „heilt Krankheiten“ auf Lebensmittelverpackungen gar nicht erst auftauchen dürfen. Health Claims schaffen damit ein Stück Sicherheit und ermöglichen informierte Entscheidungen beim Griff ins Regal.

So kompliziert der Weg zu einer zugelassenen gesundheitsbezogenen Aussage auch ist: Am Ende profitieren davon vor allem die Verbraucherinnen und Verbraucher. Denn wer mit gutem Gewissen zu einem Produkt greifen möchte, das einen bestimmten Gesundheitsnutzen verspricht, bekommt mit einem zugelassenen Health Claim eine verlässliche Information, die geprüft, nachvollziehbar und alles andere als eine ausschließlich marketinggetriebene Kommunikation ist.

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