Backzutaten
Vielfalt der Süße – von Saccharose bis Stevia | Teil 1: Zucker und süße Zutaten

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Wir lieben süß! Warum, das haben wir in unserem Beitrag Zucker – Kann denn lecker Sünde sein? schon einmal beleuchtet und auch das Dilemma, vor das uns diese Liebe heute stellt. Hier soll es nun um die unterschiedlichen Weisen gehen, wie süßer Geschmack entstehen kann. Denn die Welt der Süße ist groß und auch bei Backwaren können ganz unterschiedliche Zuckerarten, Süßungsmittel und süße Zutaten zum Einsatz kommen. Im ersten Teil unserer Reise schauen wir auf die klassischen Varianten von Zucker, auf „natürlich“ süße Zutaten sowie auf die verschiedenen Formen, die bei der industriellen Herstellung von Lebensmitteln zum Einsatz kommen.
Allein mit dem Wort Zucker kann vieles gemeint sein: normaler weißer Haushaltszucker, aber auch verschiedene braune Zucker, Fruchtzucker, Traubenzucker und so weiter. Daneben gibt es noch süße Lebensmittel, also etwa Honig oder Agavendicksaft, sowie Süßungsmittel wie Zuckeraustauschstoffe und Süßstoffe. Aber wodurch unterscheiden sie sich, wenn am Ende doch alles süß schmeckt? Und ist eins besser als das andere?
Süße Worte: Überbegriffe kurz erklärt
Zunächst müssen wir das „Who is who“ der süßen Welt vorstellen. Diese wird gemeinhin in drei Kategorien eingeteilt:
Zucker: Mit Zucker sind klassischerweise Mono- und Disaccharide gemeint. Monosaccharide (Einfachzucker) bestehen aus nur einem einzigen Molekül. Glucose (Traubenzucker), Fructose (Fruchtzucker) und Galactose (Schleimzucker) sind die wichtigsten und bekanntesten Monosaccharide. Disaccharide bestehen aus zwei Molekülen. Die wichtigsten Vertreter sind hier:
Saccharose (Haushaltszucker): besteht aus einem Glucose- und einem Fructose-Molekül
Lactose (Milchzucker): besteht aus einem Glucose- und einem Galactose-Molekül
Maltose (Malzzucker): besteht aus zwei Molekülen Glucose
Damit könnten wir es gut sein lassen, aber da es später noch wichtig wird: Reihen sich noch mehr Zuckermoleküle aneinander, entstehen zunächst Oligo- und dann Polysaccharide. Das bekannteste Polysaccharid ist die Stärke. Dieses schmeckt zwar im ersten Moment nicht mehr süß, kaut man jedoch lange genug darauf herum, zum Beispiel auf einem Stück Brot, spalten die Enzyme in unserem Speichel die lange Zuckerkette nach und nach auf. Und das können wir auch schmecken, es entwickelt sich eine süße Note.
Süße Lebensmittel/süßende Zutaten: Honig, Dicksäfte, Sirupe – gerne werden diese süßen Zutaten anstelle (oder zur Ergänzung) von Zucker genutzt. Ihren süßen Geschmack erhalten aber auch sie durch die enthaltenen Mono- und Disaccharide, hauptsächlich Glucose und Fructose.
Süßungsmittel: Man könnte meinen, dass auch Zucker und süße Lebensmittel wie Honig Süßungsmittel sind. Mittel zum Süßen eben. Man versteht darunter aber im engeren Sinne Zuckeraustauschstoffe und Süßstoffe. Sie zählen zu den Lebensmittelzusatzstoffen, ihre Verwendung und Kennzeichnung ist entsprechend gesetzlich geregelt. Hiermit beschäftigen wir uns im zweiten Teil.
So weit, so klar. Jetzt geht’s ans süße Eingemachte.
Von weiß bis braun, von Rübe, Rohr und Kokos: Zucker
Fangen wir beim Klassiker an: Weißer Haushaltszucker, gewonnen aus Zuckerrohr oder – wie bei uns inzwischen üblich – aus Zuckerrüben. Er ist die am häufigsten verwendete Zuckerart. Daneben gibt es verschiedene Arten von braunen Zuckern. Diese können ebenfalls aus Zuckerrüben oder Zuckerrohr stammen, ihre Farbe verdanken sie der Melasse, also dem Zuckersirup. Bei Rohzucker (man beachte im Gegensatz zum Rohrzucker das fehlende r in der Mitte!) wird der Zucker nicht so stark gereinigt und enthält daher noch Melassereste. Bei herkömmlichem braunem Zucker wird dem raffinierten weißen Zucker nachträglich wieder Melasse zugesetzt. Kokosblütenzucker, auch Palmzucker genannt, stammt – wie der Name schon sagt – aus den Blüten der Kokospalme. Diese werden angeritzt, der herauslaufende Nektar aufgefangen, eingekocht und getrocknet.
Da es so viele unterschiedliche Zuckerarten gibt, abhängig von Ausgangsrohstoff, Bestandteilen und Darreichungsform, hier ein kleines Zucker-ABC:
Rohrzucker: Der größte Teil (rund 80 %) der weltweiten Zuckerproduktion stammt aus Zuckerrohr. Hauptanbauländer sind Brasilien und Indien. Der aus dem Pflanzensaft hergestellte Rohrzucker kann je nach Verarbeitung weiß oder braun sein.
Rübenzucker: Auch hier ist der Name Programm – Rübenzucker stammt aus Zuckerrüben. Zuckerrüben werden vor allem in Europa, insbesondere in Frankreich und Deutschland angebaut, weshalb der bei uns erhältliche Haushaltszucker meist aus Zuckerrüben ist. Genau wie Rohrzucker kann auch Rübenzucker weiß oder braun daherkommen.
Haushaltszucker: Unser gewöhnlicher weißer Haushaltszucker ist auch als Raffinade oder raffinierter Zucker bekannt, stammt zumeist aus Zuckerrüben und ist die bei uns gebräuchlichste Zuckerart. Er wird durch Extraktion, Reinigung und Kristallisation des Zuckerrübensafts gewonnen und besteht fast nur noch aus Saccharose, hat also einen sehr hohen Reinheitsgrad und ist daher weiß (genau genommen ist er transparent, wirkt aber durch die Lichtbrechung der Kristalle weiß). Es gibt ihn in unterschiedlich feiner Körnung und auch in Form von Würfelzucker oder Puderzucker.
Rohzucker (Rohrohrzucker/Rohrübenzucker): Rohzucker ist nicht so stark gereinigt wie Haushaltszucker, es sind noch mehr oder weniger Reste von Melasse enthalten, er hat daher eine hellbraune bis braune Farbe sowie einen karamelligen, aromatischen Geschmack. Rohzucker kann sowohl aus Zuckerrohr als auch aus Zuckerrüben sein. In unseren Supermarktregalen ist häufiger der Rohrohrzucker anzutreffen (s.u.). Rohzucker ist etwas feuchter, somit klebriger und weniger lange haltbar.
Vollzucker (Vollrohrzucker/Vollrübenzucker): Vollzucker wird aus dem Saft des Zuckerrohrs oder der Zuckerrübe hergestellt. Dieser wird – ähnlich wie beim Kokosblütenzucker der Nektar der Kokospalme – eingedickt, getrocknet und vermahlen. Er hat eine kräftige braune Farbe und schmeckt intensiv würzig-karamellartig.
Brauner Zucker: Brauner Zucker ist ein Überbegriff, der unterschiedlich verwendet wird. Wenn es sich nicht um Roh-, Voll-, Palmzucker oder Ähnliches handelt, ist es in der Regel raffinierter Zucker, der mit Melasse braun eingefärbt wurde. Auch durch das nachträgliche Hinzufügen von Melasse entsteht jedoch die beliebte aromatische Karamellnote.
Palmzucker/Kokosblütenzucker: Genau genommen handelt es sich bei Palmzucker auch um eine Art Vollzucker – gewonnenem Pflanzensaft wird die Feuchtigkeit entzogen und er wird anschließend gemahlen. Beim Kokosblütenzucker stammt dieser Saft aus den Blüten der Kokospalme.
Zuckersüße Gesundheitsmythen
So, und welcher Zucker ist jetzt am besten? Wie immer: Es kommt darauf an. Und zwar in erster Linie darauf, was man damit machen will. Ist ein karamelliger Geschmack, beispielsweise im Kaffee oder Tee, erwünscht? Oder ist es vor allem wichtig, dass sich der Zucker gut auflöst, etwa für ein besonders feines Gebäck?
Gesundheitlich gibt es jedenfalls keine Unterschiede, auch wenn braune Zucker fälschlicherweise oft als gesünder eingestuft werden. Hierfür gibt es jedoch keine wissenschaftlichen Anhaltspunkte. Sie enthalten alle in etwa gleich viele Kalorien und unterscheiden sich auch in sonstigen Inhaltsstoffen nicht wesentlich. Die weniger stark gereinigten Zuckerarten enthalten zwar etwas mehr Vitamine und Mineralstoffe, die Mengen sind aber so gering, dass man viel zu viel Zucker essen müsste, damit es einen nennenswerten Effekt gibt. Die vermeintlichen gesundheitlichen Vorteile würden dann aber von den Nachteilen eines derart hohen Zuckerkonsums um ein Vielfaches übertroffen.
Im Gegensatz zu den Inhaltsstoffen unterscheiden sich jedoch die Transportwege: Zuckerrüben sind in Deutschland heimisch, Rohrzucker und Palmen gedeihen hingegen nur in (sub-)tropischen Gefilden. Daraus hergestellte Zucker – und somit auch Kokosblütenzucker – zählen also zu den Exoten und haben einen längeren Weg hinter sich, bis sie in unseren Supermarktregalen stehen. In puncto Nachhaltigkeit hat Rübenzucker daher eindeutig die Nase vorn, auch, weil er in anderen Aspekten wie Ertrag, Zuckergehalt, Wasserverbrauch und Stickstoff-Effizienz vorteilhafter ist und im Gegensatz zu Zuckerrohr nicht als Monokultur angebaut wird.
Zucker bleibt Zucker: „Natürliche“ Wege zur süßen Sünde
Neben Zucker gibt es auch eine Reihe von „natürlichen“ Optionen, um etwas einen süßen Geschmack zu verleihen. Oft werden diese als gesündere Alternativen betrachtet, aber um es gleich vorwegzunehmen: Auch hier gibt es keine nennenswerten Vorteile, denn ebenso wie beim Zucker sind es schlichtweg Mono- und Disaccharide, die für den süßen Geschmack verantwortlich sind. Honig, Sirupe und Dicksäfte bestehen überwiegend aus Fructose, Glucose und Wasser. Bei Sirupen und Dicksäften sind es letztlich nur unterschiedliche Pflanzen, aus denen der Zucker gewonnen wird. Aber Zucker bleibt Zucker.
Zucker in der Zutatenliste
Nun haben wir schon viel Zucker-Latein gewälzt und dennoch sind wir lange nicht am Ende. Wer aufmerksam die Zutatenliste so mancher Süßigkeiten studiert, wird möglicherweise keinen einzigen der voran genannten Begriffe finden. Stattdessen tauchen Wörter wie Maltose oder Glucose-Fructose-Sirup auf. Was hat es nun damit auf sich?
- Dextrose: Ist eigentlich nichts anderes als Glucose, also Traubenzucker. Dextrose wird oft in der Lebensmittelindustrie zum Süßen verwendet sowie von Sportlern als schnelle Energiequelle.
- Maltose: Auch bekannt als Malzzucker, ist ein Disaccharid, das aus zwei Glucosemolekülen besteht. Es entsteht während des Abbaus von Stärke und wird in Malzprodukten sowie als Süßungsmittel in einigen Lebensmitteln verwendet. Insbesondere bei Brot, Brötchen und anderen Backwaren sorgt Maltose bzw. Malz für würzige Aromen und eine schöne, rösche Kruste.
- Lactose: Milchzucker, der in Milch und Milchprodukten vorkommt, aber Lebensmitteln auch zugesetzt werden kann, um Geschmack und Textur zu optimieren.
- Glucose-Fructose-Sirup (GFS): Wie der Name schon sagt, besteht dieser Sirup aus Fructose und Glucose, genau wie Haushaltszucker eigentlich. Nur dass es sich eben nicht um ein Disaccharid handelt, sondern um ein Gemisch aus zwei Monosacchariden. GFS wird zudem nicht aus Zuckerrüben oder Zuckerrohr hergestellt, sondern aus Stärke, wie sie beispielsweise in Mais oder Weizen vorkommt. Im Gegensatz zu Haushaltszucker, der Fructose und Glucose in gleichen Anteilen enthält, kann in Glucose-Fructose-Sirup unterschiedlich viel Glucose bzw. Fructose vorkommen, je nach gewünschten Eigenschaften. Tatsächlich ist die genaue Bezeichnung fix geregelt: Ist es mehr Glucose, muss dieser Begriff vorne stehen, ist es mehr Fructose, steht diese am Anfang. Sind es mehr als 95 % Fructose bzw. Glucose, spricht man nur noch von Fructose- bzw. Glucosesirup. All diese Sirup-Varianten kommen vielfach bei der Herstellung von Lebensmitteln und Getränken zum Einsatz, hauptsächlich wegen der technologischen Vorteile gegenüber normalem Zucker: Der Sirup löst sich besser auf, sorgt für Stabilität, die gewünschte Textur und kristallisiert nicht mehr aus.
- Invertzucker: Auch hier geht es wieder um Fructose und Glucose, dieses Mal gewonnen aus Saccharose, also Haushaltszucker. Wir verzichten an dieser Stelle auf die chemischen Details dazu, wie das Saccharose-Molekül genau auseinandergenommen wird. In der Lebensmittelindustrie kommt Invertzucker in der Regel als Sirup zum Einsatz, auf Zutatenlisten wird auch er daher mitunter als Glucose-Fructose-Sirup bezeichnet oder auch als Isoglucose. Da er ebenfalls nicht kristallisiert, ist er ideal für Eiscremes, Sorbets, Joghurts usw., wird aber auch für Liköre oder Cocktails sowie in der Konditorei gern verwendet.
Zucker ohne Zucker?
Das waren nun also die wichtigsten Formen von klassischem Zucker, die alle in etwa gleich viel Energie, sprich Kalorien mit sich bringen. Süßer Geschmack kann aber auch von Zuckeraustauschstoffen oder Süßstoffen herrühren, die weniger bzw. gar keine Kalorien enthalten. Diese schauen wir uns im Teil zwei unseres Ausflugs in die Welt der Süße an.
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