Zusatzstoffe & Lebensmittelchemie
Back-Helfer für Profis – eine ganz spezielle Backzutat

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Treue Leser dieses Blogs wissen längst: In Profi-Backstuben wird nicht nur mit Mehl, Wasser, Hefe und Salz gebacken. In diesem Beitrag soll eine ganz bestimmte Zutat beleuchtet werden, die hier gang und gäbe ist, und ein zentraler Baustein dafür, dass Brot, Brötchen und Feine Backwaren in der geschmacklichen Qualität, ansprechenden Optik und großen Vielfalt angeboten werden können, wie wir es gewöhnt sind.
Dabei handelt es sich gar nicht um eine einzelne Zutat, sondern genau genommen um eine Komposition verschiedener Ingredienzien, die je nach Verwendungszweck in der Zusammensetzung genau austariert sind. Im Bäckerfachlatein spricht man von sogenannten Backmitteln. Und ja – um hier gleich die Katze aus dem Mehlsack zu lassen – Zusatzstoffe wie Emulgatoren und Enzyme sind entscheidende Bestandteile.
Worum geht es genau?
Wie viele Lebensmittel sind auch Backmittel in den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuchs beschrieben. Was es mit den Leitsätzen auf sich hat, haben wir im letzten Beitrag erklärt. Backmittel werden dort definiert als „Mischungen von Lebensmitteln einschließlich Zusatzstoffen, die dazu bestimmt sind, die Herstellung von Backwaren zu erleichtern oder zu vereinfachen, die wechselnden Verarbeitungseigenschaften der Rohstoffe auszugleichen und die Qualität der Backwaren zu beeinflussen“.
Typisches Bürokraten-Deutsch also. Dröseln wir mal Stück für Stück auf, worum es genau geht.
- „… Mischungen von Lebensmitteln einschließlich Zusatzstoffen …“ – Um welche Lebensmittel und Zusatzstoffe handelt es sich genau?
- „… die Herstellung von Backwaren zu erleichtern oder zu vereinfachen …“ – Wodurch wird die Herstellung erleichtert bzw. vereinfacht und warum ist das wichtig?
- „… die wechselnden Verarbeitungseigenschaften der Rohstoffe auszugleichen …“ – Um welche Rohstoffe und Verarbeitungseigenschaften handelt es sich und warum wechseln diese?
- „… die Qualität der Backwaren zu beeinflussen.“ – Welche Qualitätsmerkmale werden wie genau beeinflusst?
Von Lebensmitteln und Zusatzstoffen – was ist alles enthalten?
Backmittel sind wie schon erwähnt unterschiedlich zusammengesetzt, je nachdem, was damit gebacken werden soll. Grob werden sie in drei Kategorien eingeteilt:
- Backmittel für roggenmehl- und schrothaltige Brote und andere Backwaren wie Mehrkorngebäcke
- Backmittel für Weizenbrot und -kleingebäck
- Backmittel für Feine Backwaren (also Kuchen, Muffins, süße Teilchen usw.)
Am Ende kommt es aber auf das einzelne Gebäck an, wie genau ein Backmittel komponiert wird. Auch wenn es für manch einen unromantisch klingt, ist die Entwicklung eines solchen Backmittels ein wissenschaftlicher wie kreativer Prozess, und Hersteller experimentieren hier fortwährend, entwickeln bestehende Produkte weiter oder erfinden neue Gebäcke, nicht selten in Zusammenarbeit mit ihren Kunden, den Bäckern. Aber zurück zu den wesentlichen Bestandteilen. Dabei handelt es sich um folgende:
- Kohlenhydrate und kohlenhydratreiche Zutaten, z.B. Mehl, Stärke, Malzextrakt, Zucker, Pektin usw.
- Eiweißstoffe und eiweißreiche Zutaten, z.B. Weizenkleber (also Gluten), Milch und Milcherzeugnisse, eiweißreiche pflanzliche Produkte
- Fette, z.B. Speisefette und -öle sowie Mono- und Diglyceride von Speisefetten und -ölen
- Enzyme, z.B. Amylase, Xylanase, Glucose-Oxidase, Proteasen, Phospholipasen
- andere organische Bestandteile, z.B. Ascorbinsäure (Vitamin C), Aminosäuren, sogenannte „Genusssäuren“ (Zitronensäure, Weinsäure, Essigsäure usw.), Sorbinsäure
- Mineralstoffe, z.B. Natrium-, Kalium- und Calciumphosphate, Kochsalz
Je nach Verwendungszweck enthalten Backmittel eine oder eben auch mehrere der genannten Zutaten. Zusatzstoffe und Enzyme werden natürlich nur im Rahmen von lebensmittelrechtlichen Vorgaben verwendet. In der Regel werden Backmittel lediglich in einer Konzentration von ein bis maximal fünf Prozent der Mehlmenge in einen Teig gegeben.
Leichtere Herstellung – alles easy-peasy für den Bäcker?
Backmittel sollen die Herstellung von Backwaren erleichtern. Ist für Bäcker jetzt also alles super easy und nichts mehr zu tun? Wie oben schon erwähnt, arbeiten Bäcker und Backzutatenhersteller oft zusammen und entwickeln individuelle, maßgeschneiderte Produkte, denn auch Bäcker möchten sich natürlich von der Konkurrenz abheben und etwas Besonderes anbieten. Natürlich gibt es auch die Backwaren „von der Stange“, die man bei mehreren Bäckern findet. Nichtsdestotrotz kann auch hier jeder Bäcker seine individuelle Note einbringen und nach Belieben abwandeln, Zutaten ergänzen, verschiedene Füllungen oder Dekore einsetzen oder kreative Anwendungsmöglichkeiten finden.
Aber wieso genau vereinfachen Backmittel den Herstellungsprozess? Backmittel machen es möglich,
- die Beschaffenheit von Teigen und Massen an die verschiedenen Bearbeitungsverfahren anzupassen,
- die Gärung und Gärstabilität zu verbessern,
- die Enzymaktivität zu steuern,
- die Quelleigenschaften zu regulieren.
Sie beeinflussen dadurch positiv
- den Geschmack,
- die Frische,
- die Rösche,
- die Porung,
- das Aussehen,
- die Haltbarkeit.
Und warum ist das jetzt wichtig? Nun ja, die letzten Punkte sprechen wohl für sich, klar möchte jeder Bäcker leckere, frische, optisch ansprechende Backwaren anbieten, die möglichst lange halten. Letzteres ist tatsächlich auch in Sachen Nachhaltigkeit ein wichtiger Punkt, denn Backwaren gehören zu den Lebensmitteln, die in privaten Haushalten besonders häufig in der Tonne landen, weil sie nicht mehr frisch und knusprig sind.
Es soll an dieser Stelle keinesfalls behauptet werden, dass die Herstellung guter Backwaren nicht auch ohne Backmittel gelingen kann. Vor dem Hintergrund schwankender Rohstoffeigenschaften, die durch den Klimawandel noch verschärft werden, eines sehr hohen Bedarfs an Backwaren in der Bevölkerung und einer gewünschten Vielfalt bei der Auswahl, sowie des stetig wachsenden Problems des Fachkräftemangels spricht aber viel dafür und wenig dagegen. Man kann es letztlich auch auf das Backen zu Hause übertragen. Manche nutzen eine modere Knetmaschine, die ihnen viel Arbeit abnimmt, manche kneten lieber per Hand. Manche nutzen eine Backmischung, manche kaufen die Zutaten einzeln ein. Am Ende kommt aber immer ein Gebäck heraus. Im ersten Fall war es nur etwas einfacher und man hat weniger angebrochene Tüten herumstehen.
Die Launen der Natur – warum Rohstoff nicht gleich Rohstoff ist
Es war schon immer so, dass Getreideernten von Jahr zu Jahr unterschiedlich ausfielen, sowohl was die Erntemenge als auch die Qualität bzw. die sogenannten Verarbeitungseigenschaften des Getreides angeht. Durch die zunehmende Häufigkeit von Wetterextremen werden auch diese Schwankungen größer. Das betrifft natürlich viele Rohstoffe, hier soll es aber vor allem um Getreide gehen, vornehmlich Weizen, als Hauptzutat unserer Backwaren. Weizen ist also nicht gleich Weizen, und damit ist hier jetzt nicht die Sorte gemeint. Der gleiche Weizen vom gleichen Feld kann in einem Jahr super zum Backen sein, im nächsten Jahr eher schwierig. Das hat vor allem mit dem Glutengehalt und der Enzymaktivität zu tun. Dass Gluten besonders wichtig für die Backeigenschaft ist, dürften die meisten wissen, spätestens, wenn sie mal versucht haben, mit glutenfreiem Mehl ein fluffiges Brot zu backen. Die Enzymmenge und -aktivität ist ebenfalls entscheidend. Enzyme werden keineswegs nur von außen zugesetzt, Getreide bringt von sich aus Enzyme mit. Diese spalten etwa die Stärke zu Zucker, was wiederum Einfluss darauf hat, wie gut oder schlecht ein Teig aufgeht. Tatsächlich werden von Teigen sogar sogenannte „Farinogramme“ erstellt, um genau zu untersuchen, welche Eigenschaften das jeweilige Mehl mitbringt und worauf man machten muss, wenn man damit backen möchte. Backmittel helfen also auch, solche Schwankungen in den Ausgangsrohstoffen auszugleichen und unterschiedliche Mehlqualitäten zu kompensieren.
Qualität bei Quantität – denn die Nachfrage ist groß!
2022 kauften in Deutschland rund 97,7 Prozent aller Haushalte Brot, die durchschnittlich Menge pro Haushalt lag bei rund 41,6 Kilogramm [1]. Bei 40 Millionen Haushalten macht das mehr als eineinhalb Millionen Tonnen Brot. Nur Brot. Andere Backwaren nicht mitgerechnet. Eine ganze Menge also. Um bei unserer Analogie von oben zu bleiben: Es wird schwer, das alles per Hand zu kneten. Dass diese Menge in der Qualität – trotz Rohstoffschwankungen und Fachkräftemangel – hergestellt werden kann, dazu leisten Backmittel einen entscheidenden Beitrag.
Dennoch gehören Backmittel zu den am kritischsten beäugten Aspekten im Bereich der professionellen Backwarenherstellung, dabei sind sie schon seit Jahrzehnten im Einsatz, alle verwendeten Bestandteile sind von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) geprüft, zugelassen und unbedenklich. Sie sorgen für die vielfältige Backwarenwelt, wie wir sie heute kennen und schätzen, tragen zur Haltbarkeit bei und führen somit auch zu weniger Lebensmittelabfällen. Ein kritischer Blick ist immer gut und wichtig. Wertschätzung aber ebenso.
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